accessCast
Veraltete Praktiken im Webdesign
Hallo und herzlich willkommen beim Podcast von ›Einfach für Alle‹, der Aktion Mensch-Initiative für barrierefreies Webdesign. Heute geht's um Dinge im Web, die ihre besten Zeiten schon lange hinter sich haben, die aber scheinbar nicht auszurotten sind.
Autor: tc
Am Mikrofon heute Manfred »majo« Heinze, Links zum Selberdrücken gibt's wie immer in der Mitschrift.
Der Text ist als Artikel im Adventskalender der Webkrauts erschienen, wo bis zum 24. Dezember jeden Tag ein neues Türchen zu Themen wie Webstandards, Content Management, Barrierefreiheit, Web 2.0 usw. aufgemacht wird. Einige Artikel werden wir hier in loser Folge auch als Podcast veröffentlichen - den Anfang macht heute Nicolai Schwarz, Webdesigner aus Dortmund mit dem Thema:
Veraltete Praktiken im Webdesign
Kein anderes Medium verändert sich so schnell wie das Internet. Jedes Jahr kommen neue Techniken und Standards hinzu, die den User das Netz besser erleben lassen und dem Webdesigner die Arbeit erleichtern. Nun muss nicht jede Website den Stand der Dinge widerspiegeln. Andererseits ist es bedauerlich, wenn neue Webseiten online gehen, die sich immer noch an den Trends des letzten Jahrtausends orientieren.
Hier finden Sie eine Liste von alten Gepflogenheiten, die zwar seit einigen Jahren überholt, aber immer noch nicht ausgemerzt sind.
Optimiert für …

In der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre kämpften der Netscape Navigator und Microsofts Internet Explorer um die Vorherrschaft unter den Browsern. Große Firmen konnten es sich damals leisten, ihre Webseiten in zwei Versionen anzulegen, um beiden Browsern gerecht zu werden. Kleine Firmen begnügten sich oft mit einer Version für eines der beiden Programme. Aus dieser Zeit stammen Vermerke auf der Website wie "Diese Website ist optimiert für den Internet Explorer ab Version 5.5".
Heutzutage unterstützen alle gängigen Browser Webstandards gut genug, um sich bei der Entwicklung nicht mehr auf einzelne Exemplare beschränken zu müssen. Dennoch gehen auch heute noch Websites online, die nur auf einen einzelnen Browser angelegt sind. Warum? Lassen Sie sich gerne vorschreiben, welchen Browser Sie benutzen sollen?
Websichere Farben

Vielleicht haben Sie auch davon gehört, dass es im Netz nur 216 wirklich websichere Farben gäbe. Das sind Farben, die an allen Monitoren immer gleich angezeigt werden. Das Konzept der 216 Farben stammt etwa aus dem Jahr 1995, als Grafikkarten und Monitore mit einer Farbtiefe von 8-Bit Standard waren. Heutzutage liegt die Farbtiefe bei 24 Bit und darüber. Die 216 websicheren Farben sind mittlerweile gar nicht mehr websicher und technisch überholt.
Nutzen Sie ruhig das Farbspektrum des RGB-Modells aus. Testen Sie das Ergebnis auf verschiedenen Monitoren und gewöhnen Sie sich daran, dass die Farben nicht auf allen Geräten gleich aussehen werden.
Die 100kb-Grenze
Eine übliche, einzelne Webseite besteht aus vielen Elementen: der grundlegenden HTML-Datei, einer CSS-Datei für das Design, Bildern, unter Umständen kommen noch Datein für JavaScript oder Flash-Animationen hinzu. Vor ein paar Jahren galt die Devise, mit allen Elementen unter einer Gesamtgröße von 100 Kilobyte pro Seite zu bleiben, besser noch um die 60-70 Kilobyte zu liegen.
Mittlerweile haben sich die Geschwindigkeiten im Internet um ein Vielfaches gesteigert. Zwar surfen immer noch einige Leute mit langsameren Modems, dennoch dürfen Sie in Anbetracht der großen Verbreitung von DSL die 100kb-Grenze getrost ignorieren. Wenn Sie Ihren Besuchern für die zusätzlichen Kilobyte auch wirklich einen Mehrwert bieten können!
Splash Pages
Unter einer Splash Page versteht man eine Begrüßungsseite. Sie enthält meist nur eine Grafik oder eine Flash-Animation und in seltenen Fällen auch ein wenig Text. Über einen Link (z.B. "Skip Intro") gelangen Sie zur eigentlichen Site. Im Regelfall enthält die Splash Page nichts, was der Leser nicht auch auf der richtigen Seite findet. Sie kostet ihn nur einen unnötigen Klick. Also: Weg damit!
In Ausnahmefällen jedoch kann eine Splash Page Sinn machen. Wenn sie nämlich nur zeitweise vorgeschaltet ist, um etwa auf ein Gewinnspiel, ein neues Produkt oder auch einen Trauerfall in der Firma hinzuweisen.
Flash-Intro (mit Musik)
Um die Jahrtausendwende war es noch schick, seine Website mit einem Flash-Intro zu eröffnen. Das war eine Zeitlang neu und hip, erfüllte in dem meisten Fällen aber gar keinen Zweck. Das Logo wurde aufgeblendet, ein paar Zeilen Text huschten von links nach rechts, fertig. Heutzutage gilt ein selbstgefälliges Flash Intro als vollkommen überflüssig.
Eine richtige Plage sind Flash-Animationen, die den Besucher mit überraschender lauter Musik oder Sprache vom Stuhl hochschrecken lassen. Wie etwa bei dieser Seite des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin. Eine unnötige Splash Page mit nervendem Ton, auch noch in einer Endlosschleife. Wehe dem, der seine Lautsprecher eingeschaltet hat.
Wenn schon unbedingt Musik eingebaut werden muss, sollten Sie ein Stück auswählen, das langsam und behutsam anfängt. Und es sollte einen schnell zu findenden Button geben, mit dem ein Besucher den Sound stumm schalten kann.
Als Lesezeichen/Startseite anbiedern

Auch dies ist eine Unsitte aus alten Tagen: Buttons oder Links, die anbieten, diese Seite zu den Favoriten bzw. den Lesezeichen hinzuzufügen - oder schlimmer noch: diese Seite zur Startseite zu machen. Oft genug ist dies bei Seiten zu finden, die schlichtweg uninteressant sind.
Mittlerweile können Sie davon ausgehen, dass ein User seine Lesezeichen und Startseiten selbst einstellen kann. Was er bei informativen und nützlichen Seiten auch tun wird.
Laufschriften
Das Element, das seit etwa 1996 weit oben auf meiner persönlichen Liste dummer Spielereien steht: Laufschriften bzw. Nachrichtenticker. Früher gab es dafür ein eigenes Tag namens marquee
, mittlerweile wird der Effekt durch JavaScript erzeugt. Das Lästige ist, dass man jeweils nur einen Teil der Meldung sieht. Außerdem liest jeder User unterschiedlich schnell. Einige Betrachter kommen mit dem Lesen nicht nach, andere werden hibbelig, weil der Ticker zu langsam läuft.
Es spricht nichts dagegen, die Meldung als Ganzes auf die Seite zu setzen. Wenn sie so wichtig ist, finden Sie in ihrem Design auch einen Platz dafür. Und statt die Aufmerksamkeit durch die Bewegung auf sich zu ziehen, können Sie mit Farben, Pfeilen oder Schriftgrößen arbeiten.
Das aktuelle Datum
Manchmal ist auf kleinen Seiten gut sichtbar das aktuelle Datum eingebaut. Das soll dem User Aktualität vorgaukeln. In vielen Fällen wirkt es eher lächerlich, wenn der erste Text z.B. darauf hindeutet, dass er bereits einige Monate alt ist. Von den meisten Websites erwartet niemand, dass sie täglich gepflegt werden. Anstatt die ganze Seite mit einem Datum zu versehen, können Sie besser die einzelnen Meldungen mit Datum versehen. Je nachdem, was Ihre Firma macht, kann es ausreichen alle ein bis zwei Monate eine neue Meldung online zu stellen.
Besucherzahlen
Auch dieses Thema sollte längst den Weg alles Irdischen gegangen sein. Könnte man meinen. Wenn mich nicht ab und zu noch Kunden danach fragen würden. Deshalb deutlich: Counter, die die Besucher zählen und dann für alle sichtbar auf einer Webseite vermerken, sind mittlerweile nicht nur überholt, sondern schon unseriös. Ohnehin: Niedrige Zahlen möchte niemand zeigen, hohe Zahlen wirken geschummelt.
Was mehr Sinn macht, ist beispielsweise auf die Anzahl von Downloads eines Programms oder einer Broschüre zu verweisen. Oder die Anzahl der Mitglieder einen Community zu nennen. Zumindest dann, wenn Sie dabei eine Menge erreicht haben, mit der Sie zufrieden sein können.
Baustellengrafiken
Ein Relikt aus Zeiten, in denen eine Website ohne ein halbes Dutzend zappelnder animierter gif-Grafiken keine richtige Website war. Aus jener Zeit stammen unzählige Baustellengrafiken, die alle sagen: Hier gibt es (noch) nichts zu sehen.

Heutzutage löst ein professioneller Webdesigner das Dilemma, indem er eine neue Site zunächst einmal mit einem Platzhalter – bestehend aus Logo, den Kontaktdaten und einem kurzen Text – versieht, um die Inhalte dann nach und nach hinzuzufügen. Die Navigation enthält zu Beginn noch nicht alle Menüpunkte und wächst mit den Inhalten.
Mehr Nervendes
Zu all diesen kleinen Unsinnigkeiten gesellen sich neue aus den letzten Jahren: Zum Beispiel Popups mit unerwünschten Werbeeinlagen, Disclaimer, die keinen Nutzen haben oder Captcha-Abfragen, die niemand entziffern kann.
So, das war mal wieder eine Ausgabe unseres accessCast. Wir haben hier natürlich nur einen kleinen Ausschnitt der möglichen Nervensägen bringen können. Wenn Sie noch weitere Kandidaten für das nervigste Feature des Jahres haben haben können Sie diese gerne als Kommentar hier zu diesem Podcast oder drüben bei den Webkrauts posten.