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Microformats
Hallo und herzlich willkommen zur sechsten Ausgabe des Podcasts von Einfach für Alle, der Aktion Mensch-Initiative für barrierefreies Webdesign. Heute geht es um ein neues Schlagwort, mit dem man nicht nur Kunden oder Kollegen beeindrucken kann, sondern das auch brauchbare Anwendungszwecke hat.
Autor: tc
Am Mikrofon heute Manfred »majo« Heinze, Links zum Selberklicken gibt es wie immer in der Mitschrift.
Das nächste große Ding ist etwas ganz Kleines: Microformats
Ein weiterer Schritt in Richtung des semantischen Webs sind die sogenannten Microformats. Das Schlagwort vom Semantischen Web macht ja nun schon etwas länger die Runde – allerdings auch immer versehen mit der Einschränkung »in der Zukunft werden Maschinen damit dies und jenes machen können«
. Der Begriff Semantik kommt eigentlich aus der Sprachwissenschaft und bezeichnet die Lehre von der Bedeutung der Dinge.
Wenn es nach dem W3C ginge, dann würde man für mehr Semantik im Netz Sprachen wie die Web Ontology Language (kurz OWL) oder Resource Description Framework (RDF) benutzen und damit Metadaten über die vorhandenen Webinhalte hinterlegen. Damit wären Computer in der Lage, den Sinn und Zweck der Inhalte besser zu verstehen.
Nun haben Webentwickler damit aber gleich zwei Probleme. Zum einen: warum sollen nur Maschinen den ganzen Spaß haben? Und zum anderen: in Zukunft? Wir brauchen Lösungen, und zwar bitteschön jetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Einsatz solcher Metadaten die Informationen mehrfach hinterlegt sein müssen – einmal für die maschinenlesbare Auswertung und zusätzlich im Klartext für den Fall, dass auch mal menschliche Besucher vorbeikommen. Doppelte Arbeit, die unnötig ist.

Wie praktisch, dass sich neben der akademischen Diskussion gerade ein »lowercase semantic web« entwickelt, sozusagen das semantische Web auf dem kleinen Dienstweg. Statt das Web immer wieder neu zu erfinden haben sich schon vor zwei Jahren ein paar schlaue Köpfe (Tantek Çelik und Kevin Marks, um genau zu sein) die bestehenden Standards, besonders (X)HTML noch mal genau angesehen und festgestellt, dass sich auch mit den vorhandenen Möglichkeiten weitergehende Logik in Webseiten einbauen lässt.
Die bekanntesten Ergebnisse sind Microformats – kleine Codeschnipsel nach bestimmten Regeln, die man in seine Webseiten einbauen kann, ohne dass man dafür eine neue Sprache erlernen muss – sie sind nämlich bloß einfaches HTML. Die Regeln selbst bestehen aus einem einfachen Satz an Konventionen von Klassennamen und Attributwerten, die man an fast jedes HTML-Element dranhängen kann. Also eigentlich nichts anderes als das, was man beim Aufbau einer Seite mit sauberem HTML & CSS eh‘ schon macht.
In den HTML-Empfehlungen des W3C ist die Bedeutung der jeweiligen Elemente festgelegt, wenn auch wegen des begrenzten Vokabulars oft nur Annäherungen möglich sind. Bei der Definition von Mikroformaten hingegen einigt man sich darauf, welche Bedeutung die einzelnen Werte der HTML-Attribute haben sollen – und da wären wir wieder bei der Semantik, also der Bedeutung der Dinge, nur diesmal in kleinbuchstaben.
Bekannte Beispiele sind das hCard-Microformat, um Adressdaten auszuzeichnen, oder das hCalendar-Microformat für Kalenderdaten. So wird beispielsweise aus einem:
<address class="kontaktdaten">
durch die zusätzliche Klasse vcard
:
<address class="kontaktdaten vcard">
im HTML eine komplette Adresse, die sich in ein Adressbuch übernehmen lässt. Mit weiteren Klassen lassen sich Namen, Orte, Telefonnummern etc. beschreiben, bis hin zu Geodaten zur Verknüpfung mit Stadtplänen.

Ähnlich funktioniert das bei Kalenderdaten: die Auszeichnung eines Datums mit der Klasse vevent
macht aus dem Inhalt automatisch ein hCalendar-Microformat. Weitere Klassen wie description, location, url, dtstart
und dtend
können für zusätzliche Daten vergeben werden, die z. B. einen Termin oder eine Veranstaltung beschreiben. Wie so etwas im praktischen Einsatz funktioniert, können Sie auf unserer Seite mit den Veranstaltungstipps, im Impressum von ›Einfach für Alle‹ oder im Programm des Webkongress Erlangen sehen. Eine Übersicht der gängigen Regeln finden Sie im Spickzettel Microformats Cheat Sheet.
Und das schönste: im Gegensatz zu RDF kann man die Daten per CSS formatieren – es ist und bleibt ja einfaches, aber semantisches HTML ohne Umwege. So lassen sich im Style Sheet Regeln aufstellen, die den Kalenderdaten gleich auch noch ein kalendermäßiges Aussehen verpassen. Die benötigten Klassen für die entsprechenden CSS-Selektoren haben wir ja soeben eingebaut.
Was hat der Nutzer davon?
Die alles entscheidende Frage bei jeder Technik: was bringt es dem Nutzer? Ein wichtiges Designprinzip bei Microformats ist: »erst der Mensch, dann die Maschine«
. Dass es, ähnlich wie bei RDF noch keine Killer-Applikation gibt ist nicht weiter schlimm. Wichtiger ist der Netzwerkeffekt, der durch die rasche Verbreitung von Microformats über Weblogs entsteht. Das ist wie bei dem bekannten Beispiel mit den Faxgeräten: ein Faxgerät alleine nützt gar nichts, aber je mehr Faxgeräte es gibt, desto wertvoller wird jedes einzelne Gerät.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Anwendungen, die sich Microformats zu Nutze machen. Zentrale Anlaufstelle ist die Microformats-Suche bei Technorati. Dort können Nutzer zum Beispiel nach Webinhalten suchen, die mit ganz bestimmten Schlagworten getaggt sind. Der Suchroboter wertet dafür Links aus, die das rel-tag
Microformat benutzen und findet so zum Beispiel Blogposts, die mit den Tags »BITV« oder »Web Accessibility« versehen sind.
Auch Yahoo! ist auf den Zug aufgesprungen: so sind die Benutzerprofile bei der Foto-Community flickr mit dem hCard-Microformat hinterlegt, Yahoo! Tech benutzt das hReview-Microformat für Produktbesprechungen und upcoming.org listet Veranstaltungen im hCalendar-Microformat.
So richtig spannend wird es, wenn sich diese Formate direkt in lokale Anwendungen des Nutzers übernehmen lassen. Wer schon einmal Termine aus PDFs abgetippt hat oder per Copy 'n' Paste aus HTML-Seiten in den Kalender übertragen hat wird sich sicher darüber freuen: geeignete Programme vorausgesetzt kann man entsprechend aufbereitete Daten per Mausklick zum Beispiel in Outlook oder iCal übertragen. Und wer unbedingt darauf besteht, kann das ja immer noch in RDF umwandeln :-)
Ein Vorteil von Microformats ist, dass dafür kein Browser umgeschrieben werden muss. Da es ja nur Konventionen innerhalb der etablierten HTML-Standards sind, werden sie von allen Browsern prinzipiell gelesen. Ein Problem gibt es zur Zeit noch bei der Anzeige und damit der Auffindbarkeit solcher Daten: wie so oft bei Metadaten sind sie erst mal unsichtbar. Alternative Browser wie der auf Firefox basierende Flock schaffen da Abhilfe, und für Firefox selbst gibt es eine Anzahl passender Erweiterungen. Auch für andere Browser gibt es Bestrebungen oder zumindest Vorschläge, die Anzeige von Mikroformaten im Browser zu ermöglichen (»A Proposal for a Safari Microformats plugin« oder »Microformats in Web Browsers«).
Daher sollte man als Anbieter auf jeden Fall kenntlich machen, dass Microformats hinterlegt sind und diese mit Tools wie X2V in Formate konvertieren, die der Besucher herunterladen und weiterverarbeiten kann. Oder man zapft die online verfügbaren Tools bei Technorati an und lässt die Konvertierung automatisch per Mausklick geschehen. Brian Suda bietet auf seiner Seite zwei Bookmarklets an, mit denen man vCard- und iCal-Daten aus Webseiten extrahieren kann.
So, das war die sechste Ausgabe unseres wöchentlichen Podcasts zum Thema barrierefreies Webdesign. Weitere Meldungen zum Thema der heutigen Sendung finden Sie im Weblog von ›Einfach für Alle‹ unter dem Tag »Microformats«; die Links gibt‘s wie üblich in der Mitschrift. Wenn es Ihnen gefallen hat hören wir uns nächste Woche wieder.