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Veranstaltungen
In dieser Woche dreht sich alles um Veranstaltungen zum Thema Webstandards und Barrierefreiheit. Neben der alljährlichen South by Southwest Interactive (SxSWi) im März ist die letzte Woche über die Bühne gegangene Londoner @media-Konferenz quasi die Jahreshauptversammlung der internationalen Webstandards- und Accessibility-Szene. Grund genug, sich einmal etwas genauer anzusehen was an solchen Veranstaltungen gut und was verbesserungswürdig ist.
Autor: tc
Konferenzen
Die großen Konferenzen leben davon, dass möglichst viele Leute in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Vorträge von möglichst berühmten Rednern hören. So war es auch in der vergangenen Woche wieder in London: 2 Tage vollgepackt mit hervorragenden Beiträgen aus der Champions League der Vortragsreisenden, garniert mit einem ausgedehnten Rahmenprogramm.
Anders als im Vorjahr war in diesem Jahr eine große Delegation aus Deutschland angereist. Die Verdoppelung des Publikums im Vergleich zum Vorjahr ging leider einher mit der Verdoppelung der Vorträge, so dass die Veranstaltung in zwei parallele Tracks aufgeteilt wurde. Was wiederum zur Folge hatte, dass man ganz zwangsläufig mindestens die Hälfte der Vorträge verpassen musste. Wie bei guten Konferenzen üblich sollen in Bälde sämtliche Vorträge und Diskussionen als Podcast und teilweise sogar als Videocast veröffentlicht werden, sodass man alles nachhören kann.
Neben diesen perfekt durchorganisierten Kongressen schießen im Augenblick aber auch eine ganze Reihe neuer Veranstaltungen aus dem Boden, die einen radikal anderen Ansatz haben:
Un-Konferenzen
Entstanden ist das ganze, als der Verleger Tim O‘Reilly eine Veranstaltung namens Foocamp mit ein paar handverlesenen Gästen gab. Einige der Nichteingeladenen veranstalteten kurzerhand ein alternatives Ding namens Barcamp (Programmierer werden das in den Namen versteckte Osterei sicher finden) und eine Idee war geboren.
Ausgehend von der Erkenntnis, dass die wirklich interessanten Dinge bei Konferenzen jenseits der Panels auf dem Flur stattfinden lässt man bei diesem Typ Veranstaltung die Panels gleich ganz weg und legt die Veranstaltung auf den Flur. Anders als bei großen Konferenzen ist die Teilnahme grundsätzlich kostenlos, dafür wird die rege Beteiligung aller Anwesenden erwartet.
Mittlerweile schwappt diese Idee auch über den großen Teich – so hat Tim Bonnemann die Idee des Web Montags aus dem Silicon Valley importiert und erfolgreich etabliert. Bis jetzt haben in 15 deutschen Städten Web Montage stattgefunden oder sie sind in Planung. Die Planung wiederum läuft un-konferenz-typisch nicht über ein Organisationskomitee, sondern webbasiert und offen für alle per Wiki. Dort kann man sich einfach in die Liste der Teilnehmer eintragen. Wenn man ein interessantes Thema vorstellen möchte, dann meldet man sich für einen Kurzvortrag. Die Vorträge sind üblicherweise auf 10 Minuten begrenzt. Wenn der Vortrag gut war schließt sich eine Diskussion mit dem Publikum an, wenn nicht, dann ist der nächste dran.
Wann und wo die nächsten Web Montage stattfinden kann man unter www.webmontag.de nachlesen. Und wenn in Ihrer Nähe keiner stattfindet, dann organisieren sie doch einfach selber einen Web Montag.

Noch radikaler und gänzlich ohne Frontalunterricht sind die Barcamps, in Deutschland erstmalig im Spätsommer in Berlin. Das Motto hier: »Keine Zuschauer, nur Teilnehmer« - man trifft sich zwei Tage lang, diskutiert in losen Gruppen und arbeitet an Lösungen für Probleme, die die Teilnehmer aus ihrer täglichen Arbeit als Web-Schaffende mitgebracht haben. Die Voraussetzungen sind denkbar einfach: alles was benötigt wird ist ein Dach über dem Kopf, ausreichend Bandbreite für den Internetzugang aller Teilnehmer und einen Sponsor für‘s Catering. Also im übertragenen Sinne ein Wiki für‘s richtige Leben.
Was gehört denn zu einer guten Veranstaltung?
Abschließend ein paar Tipps für den Fall, dass Sie eine Veranstaltung planen:
- Das wichtigste: fragen Sie die Teilnehmer bereits bei der Anmeldung nach besonderen Bedürfnissen. Von gehörlosen Teilnehmern können sie zum Beispiel nicht erwarten, dass jeder seinen eigenen Gebärdendolmetscher mitbringt. Also fragen Sie bereits im Anmeldeformular, ob ein Gebärdendolmetscher benötigt wird und buchen sie einen. Adressen von Dolmis finden Sie bei auf der Website von Karin Kestner oder bei www.deafbase.de. Geradezu vorbildlich sind hier die Veranstaltungen im Berliner Kleisthaus, dem Amtssitz der Behindertenbeauftragten - hier werden grundsätzlich alle speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung berücksichtigt und somit deren Teilnahme überhaupt erst ermöglicht.
- Dass der Veranstaltungsort barrierefrei zugänglich sein sollte versteht sich eigentlich von selbst, obwohl genau das in der Realität leider oft nicht der Fall ist und die Teilnahme von Rollifahreren schon an kleinen Dingen scheitert, an die vorher niemand gedacht hat.
- Auch noch wichtig: nehmen sie die Vorträge auf und veröffentlichen Sie diese hinterher als Podcast. Damit geben sie nicht nur den zu Hause Gebliebenen die Möglichkeit, an der Verbreitung von Fachwissen teilzunehmen, sie erzeugen so auch nahezu kostenlose Werbung für die nächste Auflage ihrer Veranstaltung. Die Folien der Beiträge sollten auch veröffentlicht werden, wenn dies die Vortragenden nicht ohnehin schon machen.
- Bitten Sie die Vortragenden, Mitschriften von ihren Beiträgen zu liefern oder selbst zu veröffentlichen. Oftmals sind die Vortragsfolien nur verständlich, wenn man diese zusammen mit den Notizen liest.
- Sorgen Sie für (kostenlosen!) drahtlosen Internetzugang für alle Teilnehmer. Einerseits kann es gerade in kleineren Workshops störend sein, wenn ein Teil der Teilnehmer sich eher mit E-Mails und Newsfeeds beschäftigt als beim Workshop mitzuwirken. Andererseits ermöglicht man damit, dass die Teilnehmer kollaborativ Mitschriften erstellen können, Fragen per Chat-Client abgeben können und vieles mehr. Zumal wir schon einige Workshops miterlebt haben, bei der aufgrund der einschläfernden Wirkung des Referenten die Beschäftigung mit E-Mail die bessere Option war…
- Planen Sie ausreichende Pausen zwischen den Beiträgen ein. Nichts ist schlimmer als aneinandergekettete Frontalvorträge ohne Pause und um fünf Uhr fahren alle übersättigt nach Hause. Wie gesagt - die wirklich spannenden Dinge ergeben sich meist zwischen den Vorträgen, sorgen sie also dafür, dass die Teilnehmer sich austauschen können. Zusätzlich sollte bei jedem Vortrag noch eine Frage- und Antwortrunde eingeplant werden.
- Sorgen Sie für ausreichend Getränke in den Pausen. Wenn Sie Eintritt nehmen, dann sollten diese kostenlos sein, wenn sie eine Un-Konferenz ohne Eintritt planen, dann suchen Sie Sponsoren, die die Verpflegung der Teilnehmer übernehmen.
- Bei einer Un-Konferenz entstehen die Beiträge sehr kurzfristig und manchmal auch erst spontan während der Veranstaltung. Bei einer richtigen Konferenz sollten Sie aber unbedingt den Vortragenden ein gewisses Qualitätsniveau abfordern. Setzen Sie Deadlines, zu denen die Redner ihre Beiträge und Folien abgeliefert haben müssen und machen Sie eine Qualitätskontrolle. Weisen Sie die Redner darauf hin, dass niemand Eintritt bezahlt, um dann mit PowerPoint-Bulletlisten bombardiert zu werden. Zur Pflichtlektüre gehört das Weblog von Guy Kawasaki, der sehr schön die unterschiedlichen Präsentationsstile seziert und viele wertvolle Tipps gibt.
So, das war die vierte Ausgabe unseres wöchentlichen Podcasts zum Thema barrierefreies Webdesign. Weitere Meldungen zum Thema der heutigen Sendung finden Sie im Weblog von ›Einfach für Alle‹ unter dem Tag Veranstaltungen oder über die Startseite von EfA in der Navigation ebenfalls unter Veranstaltungen.
Wenn es Ihnen gefallen hat hören wir uns nächste Woche wieder.