Das W3C und die Zukunft des Web - droht eine Zerreißprobe?
Der neulich vermeldete W3C-Workshop zu »Web Applications and Compound Documents« hat auch im Nachgang noch für reichlich Diskusssionsstoff gesorgt. Die Positionspapiere der Teilnehmer sind mittlerweile alle online nachzulesen und spiegeln die Risse wieder, die zur Zeit durch die W3C-Mitgliedschaft laufen. Auf der einen Seite sind dort Browserhersteller wie Opera und die Mozilla Foundation, die auf eine Fortentwicklung der gegenwärtigen Standards setzen und so die Abwärtskompatibilität zu heutigen Implementierungen sichern wollen (und dabei sogar das Konkurrenzprodukt IE 6 einschließen). Dann sind dort noch die Hersteller von Entwicklungsumgebungen und serverseitigen Technologien wie Microsoft und Macromedia, die eine Weiterentwicklung erst mit den kommenden Empfehlungen zu XHTML2 und CSS3 wollen, auch wenn die Browser, die das verarbeiten sollen, noch nicht einmal in Planung sind.
Eine Lösung für diese Patt-Situation könnte der neulich formierten WHAT-Arbeitsgruppe zukommen. Dabei handelt es sich nicht um eine neuerliche Vereinigung von Webdesignern, die mit dem gegenwärtigen Stand der Browser unzufrieden sind, sondern um eine noch lose Vereinigung von drei der vier großen Browser-Hersteller, bestehend aus Menschen, die allesamt bereits Erfahrung in der Ausarbeitung von W3C-Empfehlungen gesammelt haben.
Dabei ist die Idee vielleicht gar nicht so verkehrt: nirgendwo steht geschrieben, dass Standards im Web nur vom W3C gesetzt werden. Und wenn sich das W3C mit jeder weiteren Empfehlung weiter von der Realität entfernt, sind davon zuerst die betroffen, die nun dagegenhalten: die Hersteller der verbreiteten Browser – deren Aufgabe ist es schließlich, den aktuellen Zustand des Webs nutzbar zu machen.
Mehr dazu:
- Brendan Eich: »The non-world non-wide non-web«
- Daniel Glazman: »Future of HTML and the Web, part 1«
- Ian Hickson: Spring 2004 Travelog: Part 9
- Michael Davies: »WHAT about Internet Explorer?«
- Simon Willison: »WHAT's going on?«