Wie misst man Barrierefreiheit?
Den Grad der Barrierefreiheit eines Angebots zu messen und auf dieser Basis Verbesserungen zu entwickeln ist keine einfache Aufgabe. Mit den WCAG 2.0 haben wir zwar messbare Kriterien mit insgesamt 4 Ebenen der Konformität (A, AA, AAA und garnix), aber diese Ebenen sind zu stark voneinander abgegrenzt, um kleinteiligere Vergleiche und Messungen vorzunehmen oder um Fortschritte in der Verbesserung der Zugänglichkeit eines Angebots festzustellen. Wenn eine Website sämtliche Kriterien der Ebene A erfüllt und darüber hinaus viele, aber nicht alle AA- und AAA-Kriterien, dann ist sie trotzdem nur konform zu Ebene A. Die zusätzlichen Kriterien würden zwar den Nutzern zu Gute kommen, würden aber nicht in eine abschließende Bewertung der Barrierefreiheit einfließen.
Die in einigen Testverfahren benutzte Vergabe von Punkten oder Prozenten erlaubt die Bewertung auf einer Skala und damit auch vergleichende Statistiken. Allerdings bleibt die Frage, wie aussagekräftig verlässlich und letzendlich nachvollziehbar und überprüfbar solche Statistiken sind. Ein Beispiel: wenn auf einer HTML-Seite zwei von zehn Bildern fehlerhaften Alternativtext aufweisen – ist diese Seite zugänglicher als eine Seite, bei der eins von fünf Bildern oder vier von 20 Bildern fehlerhaft gecodet sind?
Eine solche Berechnung ist zwar recht einfach anzustellen, aber ohne weitere Informationen zum Kontext, in dem die Fehler auftreten, lassen sich keine verlässlichen und nachprüfbaren Aussagen zur tatsächlichen Barrierefreiheit für die Nutzer machen. Die Bewertung des Kontextes wiederum erhöht die Komplexität der Tests, weil der Test dann nicht mehr rein maschinell durchführbar ist, sondern ein menschlicher Tester die Bewertung vornehmen muss. Das wiederum eröffnet andere Probleme durch unterschiedliche Interpretationen.
Online-Symposium zu Meßverfahren
Die Research and Development Working Group (RDWG) der Web Accessibility Initiative des W3C plant ein Online-Symposium, wo genau diese Fragen erörtert werden. Ziel ist, Anwender der Richtlinien aus Forschung und Praxis zusammenzubringen um gemeinsam den Stand der Meßverfahren zu betrachten und Pläne für die Zukunft zu entwickeln, wohin sich die Forschung in diesem Bereich entwickeln soll. Das Symposium wird am 5. Dezember 2011 in Form einer Telekonferenz stattfinden.
Die Research and Development Working Group sucht Beiträge und praktische Erfahrungen zur Messung der Barrierefreiheit, die über die einfache Konformität zu den Standards wie WCAG 2.0, Section 508 oder BITV hinausgehen. Die Frist zur Einreichungen von Beiträgen endet am 1. November 2011, die Ergebnisse werden im Nachgang veröffentlicht. Besonders gefragt sind Beiträge die sich mit den unterschiedlichen Verfahren zur Bewertung der Barierefreiheit beschäftigen und wie man diese eventuell kombinieren kann:
»We particularly welcome discussion of the relationship of these two approaches and how to potentially combine them, as well as a discussion of any of the following types of questions:
- What sort of techniques can we explore to combine metrics that are computed automatically, semi-automatically (with input from humans), and manually (where the judgement is made by humans, even if with input from software)?
- How can we build an infrastructure (such as IBM Social Accessibility) that allows experts to store accessibility information (metadata) for use with metrics that are computed during subsequent audits?
- What metrics, or combination of metrics, can be used as predictors of accessibility?
- How shall we characterize the quality of such predictors in terms of properties such as reliability, validity, sensitivity, adequacy and adaptability?
- Which approaches can be embraced for validating, benchmarking, and comparing web accessibility metrics?
- How should we tackle metrics in web applications with dynamic content?«
Weitere Infos dazu: Call for Papers: Online Symposium on Website Accessibility Metrics.