Schriftskalierungs-Dingens: ja oder nein?
Problem №1: Bei der Wahl der Schriftgröße kann man es nicht immer allen Recht machen. Für manche Nutzer ist die gewählte Schrift zu klein, für manche zu groß.
Problem №2: Sämtliche Browser können zwar Schriften im Web skalieren, und zwar unabhängig von der verwendeten Maßeinheit. Dummerweise sind die nötigen Funktionen dazu aber meist sehr gut vor dem Nutzer versteckt - die Schuld ist also eindeutig bei den Browser-Herstellern zu suchen. Daraus entsteht
Problem №3: Vor allem unerfahrene Nutzer wissen oftmals garnicht, dass sie die Schrift z.B. durch Setzen einer Mindestgröße auf ihre Bedürfnisse einstellen können.
Problem №4 ist eigentlich gar keines: bei stark sehbehinderten Nutzern kann man in der Regel davon ausgehen, dass der Computer an die individuellen Bedürfnisse angepasst ist und Hilfsmittel benutzt werden, mit denen diese Diskussion irrelevant wird.
Bleibt noch die große Grauzone von Nutzern, die zwar die ein oder andere Form der Behinderung haben, jedoch (noch) keine speziellen Hilfsmittel benutzen. Dies sind nicht nur sehbehinderte Nutzer, sondern auch Menschen mit Lernbehinderungen oder anderen kognitiven Behinderungen, die unter Umständen von größerer Schrift profitieren würden. Dazu kommt die steigende Anzahl von Nutzern, die nicht mit Computern im Kindergarten aufgewachsen sind. Wie Mike Davies dies schön in einem Blogeintrag formuliert: Web-Entwickler, die den ganzen Tag vor der Kiste hocken vergessen gerne, dass Computer für viele Nutzer geradezu furchteinflößende Monster sind.
Um diesen Nutzern entgegenzukommen setzen wir hier bei EfA seit geraumer Zeit ein sog. Widget (engl. für: ›Dingens‹) ein, mit dem der Nutzer die Schriftgröße nach Belieben verstellen kann. Gerade diese vermeintlichen Hilfen sind in letzter Zeit wieder verstärkt in die Diskussion gekommen. Zu verstehen sind beide Seiten: auch wir würden das Ding gerne loswerden, weil es letzendlich nur eine Browser-Funktionalität dupliziert. Nur hindert uns daran der kleine unbedeutende Umstand, das ebendiese Funktionen im Browser weithin unbekannt sind, weil zu gut versteckt. Ian Lloyd von accessify.com meint, dass es besser wäre, einem Mann das Angeln beizubringen, statt ihm einen Fisch zu geben. Also hat er ein Video produziert, in dem die grundlegenden Funktionen der Schriftskalierung erklärt werden: »Teach a Man to Fish (or How to Resize Text)«. Grant Broome widerspricht und weist zu Recht darauf hin, dass es Nutzer gibt die entweder kein Interesse haben, das Angeln zu erlernen, oder auf Grund einer Behinderung nicht in der Lage sind, das Angeln zu erlernen (um bei der gewählten Metapher zu bleiben). Und solange die Browser-Hersteller nicht nachziehen oder jemand rumfährt und bei allen Internet-Nutzern entsprechende Erweiterungen nachinstalliert bleibt die Ursache des Problems besetehen.
Was meint die werte Leserschaft? Brauchen wir im Jahr 2007 immer noch solche (vermeintlichen?) Hilfen auf unseren Seiten? Gemeint sind ausdrücklich nicht Websites, bei denen die meßbare Qualität irgendwo im Nachkommabereich liegt, und die sich nur ein solches Widget auf die Seiten kleben, um grobe Schnitzer zu kaschieren. Gemeint ist vielmehr der Einsatz solcher Mittel auf Websites, die schon alles mögliche in Richtung Barrierefreiheit unternommen haben und nun den Nutzern auf den letzten Metern noch ein bißchen entgegen komen wollen. Meinungen bitte in den Kommentaren abgeben.
Nachtrag: Passend zum Thema: »Sollte man die User zu korrekter Browserbenutzung umerziehen?«.