PDF-Dokumente – lesbar für Alle: Teil 1
Autor: rh
Welche Einstellungsoptionen bietet der Adobe Reader für Menschen mit Behinderung?
Der »Adobe Reader« ist die Lesesoftware, die es kostenlos und für verschiedene Betriebssystemversionen zum Herunterladen bei Adobe Systems gibt (www.adobe.de/products/acrobat/readstep2.html). Diese Software wird automatisch in den Standardbrowser integriert, sodass eine PDF-Darstellung im Browserfenster möglich ist. Adobe hat dem Adobe Reader (ab Version 5) Funktionen mitgegeben, die Handhabung und Darstellungsmöglichkeiten der Software speziell für Menschen mit körperlichen Einschränkungen verbessern:
- erweiterte Tastaturbefehle für Benutzer mit unterschiedlichen, körperlichen Einschränkungen bis zu stark eingeschränkter Motorik
- Anzeige mit hohem Kontrast und die Möglichkeit, Text auf dem Bildschirm zu vergrößern und neu fließen zu lassen, speziell für Benutzer mit geringer Sehschärfe
- Unterstützung assistiver Technologien über die MSAA-API-Schnittstelle von Microsoft für die Windows-Plattformen (interessant z. B. für Screenreader und Braillezeile)
- eigene Sprachausgabe in englisch und deutsch (ab Version 6)
Was macht ein PDF-Dokument grundsätzlich unzugänglich?
Eine barrierefreie Adobe Reader-Software nützt natürlich nichts, wenn die PDF-Dateien nicht zugänglich sind. Erst das »Gesamtpaket« aus handhabbarer Lesesoftware und lesbaren Dateien versetzt den Benutzer in die Lage, die Informationen komplett lesen zu können. Was macht die Barrieren in den PDF-Dokumenten aus? Um diesem Problem auf die Spur zu kommen, muss man ganz vorne, also beim ursprünglichen Dokument anfangen, wir nennen es im Weiteren, das »Quell-Dokument«. Man kann ein Dokument auf 3 Arten erstellen:
- mit manueller , »optischer« Formatierung,
- mit Hilfe von Formatvorlagen, in der man die Struktur (also z. B. Titel, Kapitelüberschriften, Absatzüberschriften, Fließtext etc.) definiert oder
- als Grafik, d. h. ohne erkennbare Struktur und Unterscheidung zwischen Text- und Bildelementen.
Wurde ein – wir nennen es mal »dummes« – Dokument in PDF umgewandelt, ist es vielleicht lesbar, bietet aber keinerlei Hilfen an. Eine andere, ebenso unbrauchbare Methode zur Erstellung, zugänglicher PDFs ist das Einscannen von Broschüren. Häufig wird nicht einmal eine OCR-Texterkennung verwendet, sodass das Ergebnis eine lediglich in PDF eingebettete Pixelgrafik ist. An entsprechenden Negativbeispielen ist das Internet voll. Das A und O ist die Erkennbarkeit der Dokumentstruktur, die Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Text und Grafik — und genau da liegt der »Hase im Pfeffer«. Manche Dateien, die für sehende Menschen völlig normal aussehen, bestehen technisch gesehen nur aus einer eingebetteten Textgrafik, die z. B. für Screenreader völlig unlesbar ist. Andere sind zwar technisch lesbar, bieten aber keinerlei Strukturinformationen. Bei umfangreichen Dokumenten, wie z. B. einer Bedienungsanleitung, ist es schwer vorstellbar, ohne Navigationshilfen die gesuchte Information zu finden. Stellen Sie sich mal einen Internetauftritt mit 200 Seiten ohne Navigationsmenü vor!
Fazit: Ist das Quell-Dokument strukturiert erstellt worden, also mit Formatvorlagen, dann ist der wesentliche Schritt zur zugänglichen PDF-Datei getan.
Welche Vorbereitungen sind bereits bei der Erstellung des Quell-Dokumentes nötig?
Logische Lesereihenfolge
Durch die Verwendung von Funktionen zur Definition der Dokumentstruktur (Überschrift 1-9, Fließtext etc.) ist es für assistive Technologien einfacher, eine logische Lesereihenfolge zu erkennen. Die Problematik wird denen bekannt vorkommen, die Webseiten barrierefrei erstellen müssen und auch dort die klassischen Strukturierungswerkzeuge von HTML in Kombination mit Style Sheets (CSS) verwenden. Bei mehrspaltigen Texten ist genau darauf zu achten, dass nicht etwa mit einer Tab-Taste, sondern mit den korrekten Formatierungswerkzeugen die Mehrspaltigkeit erzeugt wird!
Alternative Texte für Bilder
Alternative Beschreibungen – wie wir sie bereits von Webseiten her kennen – gehören natürlich auch in eine PDF-Datei. Acrobat bietet ein entsprechendes Werkzeug an, um nach Erstellen der PDF den Bildelementen diese Textbeschreibung zu hinterlegen.
Navigationshilfen
Häufig wird bei der Erstellung umfangreicher Dokumente vergessen, dass zum Finden einer Information Hilfen in Form eines Inhaltsverzeichnisses, Lesezeichen etc. zwingend erforderlich sind. Die Erzeugung von so genannten »Thumbnails«, also kleinen Vorschaubildchen hilft selbst sehenden Nutzern eines Adobe Readers selten etwas. Das Makro »PDFMaker« bietet MS Office-Anwendern an, z. B. die Überschriften automatisch zu verlinkten Lesezeichen im PDF zu machen. Eine sehr nützliche und unbedingt erforderliche Maßnahme.
Editierbare Formulare mit Hilfefunktionen
Gerade bei Antragsverfahren sind PDF-Formulare – aufgrund ihrer 1:1-Darstellung – sehr verbreitet und oft vorgeschrieben. Damit das Ausfüllen eines Formulars auch für blinde Menschen möglich wird, ist es erforderlich, neben der bereits angesprochenen Punkte auch Hilfetexte zum Ausfüllen des Formulars zu hinterlegen, die ggf. nur für den Screenreader »sichtbar« sind.
Welchen Einfluss hat die Wahl der Textverarbeitungs-Software?
In der Praxis kommen die unterschiedlichsten Software-Produkte zur Erstellung von Dokumenten zum Einsatz. Je nachdem, ob externe Dienstleister (z. B. Druckereien, Agenturen) die Dokumente mit DTP-Systemen erstellen, intern mit einer einfachen Textverarbeitung gearbeitet wird, ob Präsentationen, Grafiken oder Texte erzeugt werden, entstehen eine Vielzahl unterschiedlicher Dateiformate. Nützlich ist es, wenn vor der Erstellung eines Dokumentes bereits klar ist, welche Formate hinterher davon benötigt werden. In seltenen Fällen werden Dokumente bereits softwareneutral in Markup-Sprachen, wie z. B. XML erzeugt. In dem Fall wäre eine Trennung zwischen Inhalt und Form bereits gegeben. Viele Bildbearbeitungs- und Layoutprogramme sind heute schon in der Lage, Dateien im PDF-Format zu speichern. Vergessen Sie diese PDF-Dateien im Sinne der Barrierefreiheit schnell wieder! Sie sind in der Regel nicht zugänglich, da sie die dringend benötigten Strukturen nicht erzeugen, sondern lediglich optisch dem Quelldokument ähneln. Diese PDF-Dateien müssen hinterher entsprechend nachbearbeitet werden, das bedeutet zusätzlichen Aufwand, der meistens nicht eingeplant wurde. Eine Auswahl der Dateiformate, die grundsätzlich in PDF umwandelbar sind, finden Sie in Teil 2 dieser Serie »Adobe Online-Service«. Zu den Office-Programmen, die eine brauchbare Dokumentstruktur erzeugen können und diese Informationen bei der Konvertierung (Umwandlung) nicht verlieren, gehören die Microsoft-Produkte Word, Excel und PowerPoint (Windows-Versionen 2000, 2002/XP, Mac-Versionen ab 2000), sowie das immer beliebter werdende OpenSource-Paket »OpenOffice 1.1« bzw. »StarOffice 6.0«. Die neueste Version 1.1 arbeitet bereits mit einem eigenen PDF-Direktexport. Erste Tests haben leider ergeben, dass keine Strukturen übernommen werden und im Acrobat erkannt werden können. Optisch sind die direkt erzeugten PDF-Dateien jedoch tadellos. Ein Makro, ähnlich PDFMaker im MS Office fehlt zur Zeit noch.
Da Grafikdesignern die Vorstellung nicht gefallen wird, Broschüren womöglich wegen der Barrierefreiheit mit MS Word erstellen zu müssen, gibt es »Entwarnung«: Adobe bietet bei allen hauseigenen DTP-Applikationen in den aktuellen Versionen die Möglichkeit, Strukturinformationen in die PDF-Welt zu retten. Das bedeutet, Anwender der Programme Adobe FrameMaker SGML 6.0, FrameMaker 7.0, InDesign 2.0 oder PageMaker 7.0 können aufatmen. Alle anderen Systeme, wie z. B. QuarkXPress oder Macromedia-Produkte sind z. Zt. noch nicht soweit und erfordern in Bezug auf das »Retten der Strukturen« entsprechende Nachbearbeitung in PostScript oder im Acrobat.
Letztlich geht es darum, abzuwägen, welcher Aufwand größer ist:
- einen Editor zu verwenden, der brauchbare Strukturen für eine komfortable Konvertierung liefert oder
- das Problem nach hinten zu schieben und das Dokument mit dem Adobe-Werkzeug Acrobat (Version 5 mit Make Accessible-Plugin und ggf. Forms Access Agent oder Acrobat 6 Professional) nachzubessern.
Fazit: Setzen Sie Software ein, die Strukturen sauber exportiert und vergessen Sie alle PDF-Exportfunktionen. Im Sinne der gewünschten Barrierefreiheit geht an AdobeAcrobat (5 oder 6) kein Weg vorbei!