BITV Reloaded – Anforderung 4
Bedingung 4.2: Sprachliche Besonderheiten ausgezeichnet (Prio. 2)
»Abkürzungen und Akronyme sind an der Stelle ihres ersten Auftretens im Inhalt zu erläutern und durch die hierfür vorgesehenen Elemente der verwendeten Markup-Sprache kenntlich zu machen.«
Was heißt das?
Eine schwierig umzusetzende Bedingung, und dies nicht nur weil sie, wie schon die vorhergehende, viel manuelle Nacharbeit bei der Einpflege der Inhalte bedeutet. Die eigentliche Schwierigkeit liegt eher darin, dass sich auch Sprachwissenschaftler nicht einig sind, was denn nun ein Akronym und was eine Abkürzung sei. Selbst das W3C benutzt in seiner Erklärung der Elemente falsche Beispiele.
Hintergrund dieser Bedingung ist die Annahme, dass assistive Werkzeuge dadurch Abkürzungen und Akronyme als Folge von Buchstaben wiedergeben können statt zu versuchen, diese als ein Wort auszusprechen. Nur gibt es hier in allen Sprachen mehr Ausnahmen als Regeln, z. B. ist UN ein Akronym wie GIF (ausgesprochen: giff oder dschiff) oder WAI (ausgesprochen: wäi) und müsste folgerichtig Un ausgesprochen werden – was natürlich keiner macht. Im Gegensatz dazu ist USA entgegen landläufiger Meinung kein aus den Anfangsbuchstaben gebildetes Akronym, sondern eine Abkürzung, da das o aus United States of America fehlt. Ganz unmöglich sind Abkürzungen, bei denen keine Einigkeit besteht, wie diese nun benutzt werden sollten: SQL kann sowohl Sequel als auch Ess Kjuh El ausgesprochen werden – für den Webentwickler ein nicht lösbares Problem.
Der Internet Explorer versteht auch in aktuellen Versionen immer noch nicht das ABBR
-Element (es sei denn man setzt Hacks wie <abbr-cadabra/> ein). Folgerichtig können viele assistive Werkzeuge, die auf diesen Browser aufsetzen, nichts mit der eingebauten Logik dieser Tags anfangen und müssen sich auf ihre eingebauten Wörterbücher verlassen.
Nach dem Wortlaut der obigen Bedingung muss immer das erste Auftreten einer Abkürzung im Inhalt kenntlich gemacht und erläutert werden – was dem Nutzer jedoch nichts nützt, wenn er von einem anderem Dokument über einen lokalen Anker an eine Textpassage weiter unten gekommen ist und so vielleicht die Erläuterung bereits verpasst hat. Auch werden Menschen mit Lernbehinderungen, die unter Umständen bei jeder Instanz einer Abkürzung auf die Erklärung angewiesen sind, mit dieser Einschränkung nicht berücksichtigt.
Mehr zur Problematik von Abkürzungen finden Sie in unserem Artikel von Jan Hellbusch: »Zett Punkt Bee Punkt«.
Angesichts dieses Durcheinanders hat das W3C im aktuellen Entwurf für XHTML2 das ACRONYM
-Element fallengelassen und sieht nur noch ABBR
vor. »The abbr element indicates that a text fragment is an abbreviation … this includes acronyms.«
Kein User Agent unterstützt die dafür vorgesehenen Hilfen zur Aussprache in CSS 2 (speak: normal
oder speak: spell-out
), auch nicht die Screenreader und Sprachbrowser. Was zur Folge hat, dass die entsprechenden Anweisungen aus Aural CSS in der jetzigen Form in Zukunft (also CSS 3) nicht mehr vorhanden sein werden.
Wie können Sie das testen?
Grafische Browser dekorieren Abkürzungen und Akronyme üblicherweise mit einem gepunkteten Unterstrich, sobald in die entsprechenden Tags ein zusätzliches title
-Attribut eingefügt wurde. Allerdings kann dieses Verhalten auch per CSS unterbunden werden, sodaß Sie zur genaueren Kontrolle auf die Unterstützung eines Prüfprogramms angewiesen sind. Die gängigen Toolbars verfügen über Funktionen, mit denen entsprechend ausgezeichnete Abkürzungen und Akronyme farblich hervorgehoben werden.
Alternative Beispiele:
In einer früheren Version der WCAG 2.0 wurde auf diese Vorgabe verzichtet, stattdessen sollten Verweise auf ein Glossar ermöglicht werden: »Expansion dictionaries, for instance in metadata, may be provided as an alternative to an expansion in the text of a document.«
Diese Glossare können über den Aufruf link rel="glossary" href="/artikel/bitv/glossar/" title="Glossar">
mit jeder Seite verknüpft werden. Da es sich bei dieser Methode jedoch um weitestgehend unsichtbare Metadaten handelt sollten Sie das Glossar zusätzlich aus dem Inhalt der Seite oder Anwendung heraus verlinken.
In dieser Serie beziehen wir uns der Einfachheit halber auf das Glossar aus der BITV (Anlage 2), dort erklärte Fachbegriffe und Fremdwörter werden aus den jeweiligen Bedingungen heraus direkt verlinkt.