BITV Reloaded – Anforderung 2
Bedingung 2.1: Auch ohne Farben nutzbar (Prio. 1)
Alle mit Farbe dargestellten Informationen müssen auch ohne Farbe verfügbar sein, z. B. durch den Kontext oder die hierfür vorgesehenen Elemente der verwendeten Markup-Sprache.«
Was heißt das?
Die Formulierung »ohne Farbe verfügbar«
sollte präzisiert werden. Treffender ist die Formulierung in den WCAG 1.0: »Verlassen Sie sich nicht auf Farbe allein«
. Farben sind kein generelles Problem, sondern es bedarf zusätzlicher Mittel, um farblich dargestellte Informationen für alle Nutzergruppen zugänglich zu gestalten.
Diese Bedingung ist gleich auf eine ganze Reihe möglicher Fallstricke im Webdesign anwendbar. So könnte es sein, dass der Autor einer Seite die Überschriften als normale Textabsätze angelegt hat und lediglich per CSS, oder, behüte, per FONT color
eingefärbt hat, statt die hierfür vorgesehenen Überschriftenelemente aus HTML zu nutzen (und diese dann per CSS zu formatieren).
Wenn Links im Fließtext nicht unterstrichen sind, sondern sich nur durch die Farbe vom umgebenden Text unterscheiden, ist diese Bedingung nicht erfüllt. Formulare, in denen Pflichtfelder oder Fehleingaben ausschließlich fabrig gekennzeichnet sind müssen mit weiteren grafischen Elementen hervorgehoben oder im Text beschrieben werden. Diagramme, in denen Kurven oder Tortenstücke nur anhand ihrer Farben zu unterscheiden sind, können durch zusätzliche Schraffuren, unterscheidliche Linienarten und Strichstärken nutzbarer gestaltet werden.
Wie können Sie das testen?
Die Bedingung 1.2 lässt sich nicht maschinell prüfen, eine Sichtkontrolle ist notwendig. Zum einen muss der Text der Website oder Anwendung auf verdächtige Formulierungen abgesucht werden (Beispiel: Bestätigen Sie mit dem grünen Button), zum anderen müssen die Gestaltung und grafische Elemente visuell überprüft werden.
Es gibt spezialisierte Werkzeuge, die beim Aufspüren bestimmter Probleme helfen können; für manche Tests muss auch der Computer entsprechend bestimmter typischer Einstellungen sehbehinderter Menschen umkonfiguriert werden. Dabei muss klar sein, dass es sich immer nur um eine Annäherung handeln kann, da es eine große Vielfalt der individuellen Einstellungen gibt.
Einen ersten Kurztest können Sie mit Firefox vornehmen, indem Sie in den Einstellungen unter ›Inhalt‹ → ›Farben‹ ihr eigenes Farbschema definieren und Seiten untersagen, ihre eigenen Farben zu verwenden. Im folgenden Screenshot sehen Sie eine mögliche Einstellung mit dunkler Hintergrundfarbe und hellgelbem Text sowie angepassten Linkfarben:
Laden Sie nun Ihre Website neu. Wenn sie jetzt noch alle Inhalte wahrnehmen können und alle Funktionen ausführen können, haben Sie diesen Test schon fast bestanden. Der Vollständigkeit halber sollten Sie noch in der Web Developer Toolbar das Laden von CSS unterbinden. So können Sie auf einen Blick feststellen, ob für die Struktur der Seite die korrekten Strukturelemente verwendet wurden oder ob diese doch nur mit div class="ueberschrift gross rot">
ausgezeichnet wurden.
Realistischer ist der Test mit einem der Kontrastschemata, die in Oberflächen wie Windows, Gnome oder Mac OS X frei einstellbar sind. Sie können davon ausgehen, daß stark sehbehinderte Menschen ihren Rechner an ihre ganz persönlichen Bedürfnisse angepasst haben, und dazu gehört mehr als nur der Browser. In den Systemeinstellungen von Windows lassen sich verschiedene Farb- und Kontrastschemata einstellen, die eine mit vielen Formen der Sehbehinderung verbundene Blendempfindlichkeit verhindern sollen. Mit einigen dieser Einstellungen wird das gesamte Betriebssystem invertiert dargestellt. Der Internet Explorer ignoriert unter Windows dann sämtliche per CSS als Hintergrundbilder realisierten Inhalte einer Webseite.
Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Artikel »Image Replacement- Techniken nicht zugänglich für Sehbehinderte«. Eng verwandt ist die Problematik, dass freigestellter Text in Grafiken vor wechselnden Hintergründen unter Umständen nicht mehr erkennbar ist. Besonders in GIF- und PNG-Dateien mit Transparenzen kann die Farbinvertierung des Betriebssystems oder Browsers dazu führen, dass zum Beispiel freigestellter schwarze Texte oder grafische Elemente auf schwarzem Hintergrund stehen.
Der Prüfschritt zu Bedingung 2.1 könnte umformuliert heißen: »Testen Sie, ob sämtliche Inhalte auch bei benutzerdefinierten Farben wahrnehmbar sind.«
Wenn wesentliche Inhalte eines Angebots in anderen Formaten wie Flash oder PDF umgesetzt sind, dann ist diese Bedingung natürlich auch auf diese Inhalte anzuwenden, d. h. diese müssen in einen Test einbezogen werden. Die Möglichkeiten von Flash gehen mittlerweile über das hinaus, was man mit herkömmlichem HTML, CSS und JavaScript erreichen kann. So kann man in Flash nicht nur abfragen, ob auf dem Host-System ein Screenreader oder andere Hilfsmittel aktiv sind, sondern auch feststellen, ob der Nutzer unter Windows eines der Kontrastschemata zur Anzeige eingestellt hat. Prinzipiell ist dies also möglich und sollte dementsprechend in der Evaluierung einer Website bewertet werden.