BITV Reloaded – Anforderung 14
Bedingung 14.3: Durchgängiger Präsentationsstil (Prio. 2)
»Der gewählte Präsentationsstil ist durchgängig beizubehalten.«
Was heißt das?
Eine gewisse Konsistenz hilft Nutzern beim Aufbau eines mentalen Modells der Architektur eines Angebots und minimiert den Lernaufwand für Nutzer mit Lernbehinderungen. Durch die Vorhersagbarkeit der Platzierung, Reihenfolge und Optik von Elementen wird die Orientierung und Bedienung eines Angebots vereinfacht. (Nota bene: weitergehende technische und gestalterische Vorgaben an Webinhalte werden in vielen der vorhergehenden Anforderungen behandelt; hier geht es ausschließlich um die Konsistenz des Aufbaus und der Präsentation. Hierzu gehört aber auch, dass eine Navigation auf allen Seiten eines Angebots aussehen sollte wie eine Navigation.)
Für stark sehbehinderte Nutzer, die einen verbliebenen Sehrest weiterhin zur Orientierung nutzen ist diese Bedingung von essentieller Bedeutung. Bei den teils enormen Vergrößerungsfaktoren, mit denen Lupenprogramme betrieben werden ist die Effizienz, mit der sich immer wiederkehrende Seitenelemente wie Inhalte, Navigationsleisten etc. erreichen und identifizieren lassen, direkt von deren konsistenter Platzierung und Gestaltung abhängig.
Gleiches gilt für Nutzer von Screenreadern: eine konsistente Anordnung ermöglicht es dem Nutzer oder dem eingesetzten Hilfsmittel, Bereiche von Interesse zu identifizieren und uninteressante Bereiche zu überspringen. Screenreader geben den Inhalt als eine lineare Abfolge von Text wieder, mit dem sich räumliche Zusammenhänge nicht ohne weiteres erschließen lassen. Da diese sich an der Reihenfolge der Seiteninhalte im Quelltext orientieren sollten Sie einmal eingeführte relative Abfolgen nicht nur in der Gestaltung, sondern auch im Quelltext beibehalten.
Menschen mit motorischer Behinderung können durch diese Bedingung Strategien entwickeln, um Ihre Website mit möglichst wenigen Tastendrücken zu erkunden, wenn Ihre Inhalte auf allen Seiten in der gleichen Art und Weise angeordnet und erreichbar sind.
Grenzen bei der Bewertung

Problematisch ist diese Bedingung durch die fehlende genauere Defintion der Begriffe »durchgängig«
und »beizubehalten«
in den WCAG 1.0. Bei den in den Techniken aufgeführten Beispielen will uns beim besten Willen nicht einleuchten, was eine minimale Anzahl an externen Style Sheets mit der Barrierefreiheit von Webinhalten für Menschen mit Behinderung zu tun hat. Hier fehlt im Umkehrschluß der Beweis, dass mehr als zum Beispiel zwei oder drei externe Style Sheets für Menschen mit Behinderungen eine wie auch immer geartete Barriere darstellen.
Auch aus der konzeptionellen oder gestalterischen Sicht des Anbieters ist diese Bedingung problematisch: Bei einfachen Informationsangeboten oder bei Shopping-Seiten mit wenigen, ähnlichen Produkten ergibt sich eine Erfüllung schon fast zwangsläufig alleine aus ökonomischen Gründen; in einem komplexen eCommerce-Angebot sollten die Bestellfunktionen überall gleich gestaltet sein, auch wenn die eigentliche Waren in unterschiedlichen Warengruppen durchaus auch unterschiedlich präsentiert werden können. Bei einem Markenartikler mit vielen unterschiedlichen Produktlinien wird dieser Punkt der BITV jedoch nicht durchsetzbar sein. Eine zu strikte Auslegung dieser Bedingung würde einen Mischkonzern dazu zwingen, Informationen zu Waschmitteln auf die gleiche Art und Weise zu präsentieren wie die des Geschäftsbereichs Schokoriegel.