BITV Reloaded – Anforderung 14

Bedingung 14.1: Einfache Sprache (Prio. 1)

Für jegliche Inhalte ist die klarste und einfachste Sprache zu verwenden, die angemessen ist.«

  • BIENE
  • BIENE
  • BIENE
  • BIENE
  • WCAG 1
  • WCAG 2.0

Was heißt das?

Fachsprache ist in vielen Bereichen durchaus gerechtfertigt. Nur sollten Inhalte, die für die Erledigung von Bedürfnissen des täglichen Lebens gedacht sind, auch so getextet sein, dass sie für die Benutzer keine unnötigen Hürden aufbauen. Kein Anbieter kann davon ausgehen, dass die Besucher seiner Website die in der Organisation des Anbieters gängigen Fachtermini beherrschen. Viele Texte, die sich an ein großes Publikum richten, werden trotzdem in einer Sprache verfasst, die fast schon ein abgeschlossenes Studium im jeweiligen Fachbereich voraussetzt. Dazu gehören nicht nur Behördengänge, sondern auch der Informationsbedarf der Internet-Nutzer oder der immer mehr an Bedeutung zunehmende Bereich des elektronischen Handels (engl.: e-Commerce).

Sofern es sich nicht um Fachtexte handelt, sollten Sie weitestgehend auf Anglizismen und andere fremdsprachliche Formulierungen verzichten. Viele Vorgaben und Ideen, die sich in den Richtlinien zur Erstellung von Texten in leichter Sprache für Menschen mit kognitiven Behinderungen finden, lassen sich auf auch Texte anwenden, die sich an ein großes Publikum mit unterschiedlichsten Sprachkompetenzen richten:

  • Verwendung von einfacher und unkomplizierter Sprache
  • Keine abstrakten Begriffe
  • Kurze Worte aus der Alltagssprache
  • Persönliche Ansprache
  • Praktische Beispiele / Bilder
  • Kurze Sätze
  • Keine Abkürzungen, Fremdwörter, Initialen
  • Gleiche Begriffe für eine Sache
  • Positive Sprache

Diese Regeln sind der Mitschrift eines Beitrags von Cordula Edler zum Kongress ›Mehr Wert für Alle‹ in Trier (2004) entnommen.

Wie können Sie das testen?

Die Bedingung 14.1 ist eine der Vorgaben, die nicht maschinell zu überprüfen sind. Hier hilft tatsächlich nur, die Texte einer Website von potentiellen Nutzern des Angebots auf Verständlichkeit überprüfen zu lassen. Sie können schon an Hand einiger simpler Tests wie »Melden Sie Ihren Hund um«, »Bestellen Sie ein Produkt X« oder »Versuchen Sie Informationen über XYZ zu finden« mit wenigen Testpersonen die Verständlichkeit Ihres Angebots überprüfen lassen.

Diese Tests sollten jedoch nie von Personen durchgeführt werden, die in irgendeiner Weise mit der Entwicklung des Angebots oder der anbietenden Institution in Verbindung stehen. Nur so können Formulierungen gefunden werden, die dem ›Insider‹ vielleicht geläufig sind, für alle anderen aber ein Buch mit sieben Siegeln darstellen. Je früher diese Tests in einem Projekt stattfinden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die gewonnenen Erkenntnisse noch kostenneutral umsetzen können.

Angemessenheit:

Seit der Veröffentlichung der WCAG 1.0 streiten Experten, ab wann der Punkt der Angemessenheit erreicht ist, oder ob dieser Zustand überhaupt erreicht werden kann (und ob somit WCAG 1.0 Level A bzw. BITV Priorität 1 überhaupt erfüllbar sind). Dazu gehört auch die Diskussion, ob die Forderung nach einer angemessenen Sprache auch das Angebot von Deutscher Gebärdensprache (DGS) beinhaltet, wenn das Angebot auch von gehörlosen Menschen genutzt werden soll. Die zurzeit in Entwicklung befindlichen WCAG der Version 2.0 fordern hier zumindest für multimediale Inhalte die Übersetzung in Gebärdensprache, wenn auch erst ab Level AAA.

Positive Beispiele:

Ein gelungenes Beispiel für die ›Rück-Übersetzung‹ komplexer Inhalte in eine allgemeinverständliche Sprache ist der sogenannte Virtuelle Beipackzettel des Pharmaunternehmens Pfizer. Die Packungsbeilagen in Medikamenten sollen einerseits juristisch wasserdicht sein, den ausgebildeten Mediziner oder Apotheker informieren und andererseits auch für den Endverbraucher verständlich sein. In der Regel fallen die Formulierungen jedoch zugunsten der Fachleute aus, was für Verbraucher im Ernstfall zu gesundheitsbedrohlichen oder sogar lebensgefährlichen Situationen führen kann, wenn entsprechende Warnhinweise nicht verstanden werden.

Die 2006 mit einer BIENE ausgezeichnete Website von Pfizer ist hier gleich in mehrfacher Hinsicht vorbildlich: die für die Mehrzahl der Patienten nicht mehr verständlichen Packungsbeilagen wurden in eine verständliche Sprache übersetzt; zudem werden die Fragen und Antworten in kleinen Filmsequenzen in Gebärdensprache gezeigt.

Mögliche Alternativen:

Selbst wenn sich Ihr Angebot vornehmlich an ein Fachpublikum richtet, so müssen sie doch immer mit der Nutzung durch Nicht-Fachleute rechnen. Für solche Fälle ein paralleles Angebot mit vereinfachten Texten zu erstellen und dauerhaft zu pflegen kann unter Umständen den Etat Ihres Web-Projektes sprengen. Um Besuchern, die nicht mit der Thematik Ihrer Site vertraut sind, eine Nutzung zu ermöglichen können und sollten Sie ein Glossar anbieten, das die häufigsten Fachbegriffe, Anglizismen und ähnliches auf eine verständliche Art erklärt.